Noch mal: Qualzuchten, „Red Parrots“, „Flower Horns“, etc. (06/2003)

... Bei Qualzuchten handelt es sich nicht immer um Kreuzungen… Peter Buchhauser

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Noch einmal möchte ich das viel diskutierte Thema Qualzuchten („Red Parrot“) und bewußte Kreuzungen („Flower Horn“ , etc.) aufgreifen. Bedingt durch meine zahlreichen Geschäftsreisen nach Südostasien konnte ich kürzlich weitere „Neuigkeiten“ bestaunen und kann durch Verknüpfungen mit meinen eigenen Erfahrungen weitere Informationen liefern.

Genau unterscheiden müssen wir zwischen den sog. Qualzuchten („Red Parrot“, etc.) mit Körperdeformationen und den bewußt herbeigeführten Kreuzungen („Flower Horn“, etc.) ohne sichtbare Deformationen.

Bei den Qualzuchten handelt es sich meines Erachtens um keinerlei Kreuzungen. Wie bereits bekannt, wird der sog. Papageienbuntbarsch = „Red Parrot“ aus Amphilophus labiatus „gewonnen“. Hinzu kommt nun eine xanthoristische, deformierte neue Form, welche sich von Cryptoheros nigrofasciatus herleiten läßt. Ausschließlich wird bislang die weiße, normal geformte Zuchtform „weiterverarbeitet“ und als „White Parrot“ oder „White Zebra Parrot“ angeboten.

Wie sich genau diese Körperdeformationen einstellen, konnte ich zwar noch immer nicht 100% ermitteln, jedoch geben mir mehr als 20 Jahre Erfahrung mit mittelamerikanischen Cichliden ein ungefähres Muster. Mehrfach habe ich bei der Aufzucht diverser Cichliden hin und wieder einzelne Exemplare mit verkürztem Körper, eingedellten Schnauzen oder sog. Sattelnasen, etc. feststellen können. Dabei handelt es sich gerade mal um einzelne Tiere, welche entweder von mir herausgefangen und getötet wurden oder aufgrund ihres Defekts langsamer wuchsen und später von den anderen, körperlich normalen Tieren unterdrückt und gefressen wurden. Mit Ausnahme zweier Tiere („Cichlasoma“ pearsei und „Aequidens“ rivulatus“) konnte ich niemals das Heranwachsen dieser deformierten Tiere beobachten. Diese beiden Tiere sind von der Form her verkürzt, sie sehen aus wie gestaucht, ansonsten weisen sie jedoch keine weiteren Defekte auf. Zusätzlich hatte ich vor rund 10 Jahren aus einem Jungfischschwarm von Vieja synspila 5 Jungtiere mit dem für die „Red Parrot“ typischen schnabelartigem Maul.

Als Ursache für diese gelegentlichen Skelettmißbildungen sehe ich mehrere Faktoren wie z.B. Inzucht über mehrere Generationen, zu dichter Besatz bei der Aufzucht, hohe Nitritwerte, kein oder zu geringer Wasserwechsel, Vitaminmangel durch einseitige Ernährung, etc. Bei mir treten diese Ereigisse immer dann auf, wenn ich wieder einmal für 2-3 Wochen auf Geschäftsreise bin und meine – zwar inzwischen recht fachkundige - Ehefrau den Wasserwechsel genau nach meinen Angaben macht, welcher aufgrund der permanenten Überbesetzung leider oft nicht ausreicht. ...aber natürlich verbrauchen wir unser Wasser zum größten Teil zur Bewässerung unseres Gartens, der eher von Miniformat ist!

Zum Glück lassen ernsthafte Züchter diese Mißbildungen gar nicht erst heranwachsen und betreiben früh genug die erforderliche Selektion, welche auch in der Natur getroffen wird. In Nicaragua, der Heimat von A. labiatus hätte ein „Red Parrot“ keine Überlebenschance.

Leider wurde und wird in Asien die Selektion gerade in die andere Richtung betrieben. Durch bewußte Veränderung der Aufzuchtbedingungen schafft man es dort, Bruten mit bis zu 90% deformierter Tiere zu bekommen. Meine oben angegebenen Einflußfaktoren sind wohl nicht Verursacher derart hoher Mißbildungsraten. Sicherlich wird dem Wasser noch etwas beigemischt. Es würde mich nicht wundern, wenn hier sogar Pestizide, oder ähnliches zum Einsatz kommen.

Durch Zufall konnte mein Freund Michael Härtl winzige Jungtiere des „Red Parrot“ beim Heranwachsen beobachten und fotografieren. So sehen wir seltene Aufnahmen, welche vor und während des Umfärbens gemacht wurden.

Obgleich eine Zucht dieser mißgebildeten Kreaturen fraglich erscheint, balzen junge Paare immerhin wie ihre normalen Verwandten. Leider konnten wir bislang keinerlei Laichabgabe beobachten.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis deformierte weiße Zebrabuntbarsche (Cryptoheros nigrofasciatus) oder weitere Tiere (Herichthys carpinte) zu uns gelangen. Jeder verantwortungsbewußte Aquarianer sollte auf den Kauf oder Erwerb dieser Tiere verzichten. Da die Nachfrage bekanntlich das Angebot regelt, ist es in unserer Hand, ob weitere dieser „Qualzuchten“ zu uns gelangen oder ob diese überflüssigen Zierfische möglichst bald wieder verschwinden.

Weniger Sorgen machen mir die bewußten Kreuzungen („Flower Horn“, etc.), obwohl hier im Vergleich zu bislang bekannten Zuchtformen (z.B. Triangelguppy, Schleierskalar, Türkisdiskus, roter Oskar, roter Kaiser, etc.) die gewollte Hybridisierung auf Dauer ebenfalls negative Effekte nach sich ziehen wird. Zwar sehe ich keine Gefahr darin, daß Kreuzungen oder Zuchtformen in die freie Wildbahn zurückgelangen, obwohl immer ein Restrisiko besteht, welches bei den Kreuzungen höher ist als bei den Zuchtformen. So werden sich Schleierskalare auf Dauer nicht in südamerikanischen Flüssen etablieren können, „Flower Horns“ (Kreuzung zw. Am. citrinellus und Am. trimaculatus) jedoch hätten allemal das Zeug, sich im einen oder anderen Gewässer zu etablieren.

Auf dem Chatuchak-Wochenendmarkt in Bangkok werden die verschiedensten Kreuzungen mittelamerikanischer Cichliden angeboten. Bei der Gruppe der „Flower Horns“ wird mittlerweile - ähnlich zu den Diskusfischen – ein ganzes Sortiment verschiedenster Farbschläge angepriesen. Von „ magic red“ über „spotted sunshine“ bis hin zu „ metallic blue“ ist einiges erhältlich. Inzwischen werden vielfach Jungfische ab 3 cm Größe angeboten, auch weibliche Tiere gelangen nun zunehmend in den Handel, da in Südostasien die Preise für die „Flower Horns“ bereits wieder am Fallen sind. Die günstigsten Jungtiere liegen bei 20 Baht (etwa 50 Cent), nach oben liegen die Grenzen für marktübliche Tiere bei einigen tausend Baht (bis hin zu etwa 250 €), wobei dort wirklich wenig außergewöhnliche große Tiere zu finden waren. Diese werden vornehmlich auf Ausstellungen und in Spezialgeschäften gehandelt, nicht aber auf einem Markt, wo es vom Küken und Kampfhund-Welpen bis hin zu kopierten Rolex-Uhren und falschen Levi’s Jeans alles zu kaufen gibt.

Umso mehr erstaunt war ich über die Neuigkeiten dort. Sahen wir in den DCG-Informationen 9/33 eine neue Kreuzung (Seite 215) zwischen Herichthys carpinte und Am. citrinellus (oder labiatus, wer weiß?) so tritt dieser relativ neue Hybride in einer Vielzahl von Farbformen auf. Das von Dr. Staeck abgelichtete Tier besticht durch seine orange Färbung und den türkisgrünen Punkten. In Bangkok sah ich aber auch Tiere welche in der vorderen Körperhälfte orange waren und im hinteren Teil türkisgrün wie normale H. carpinte waren, also eine ähnliches Zeichnungsmuster wie die „Flower Horns“. Diese als „Red Texas“ angebotenen Tiere (wobei Texas eindeutig falsch ist, da sich dieses Vorkommensgebiet auf H. cyanoguttatus bezieht) werden aktuell meist als Jungtiere zu deutlich höheren Preisen als die „Flower Horns“ gehandelt. Große Exemplare sind (noch) selten. Daß „Flower Horns“, welche aus 2 Amphilophus-Arten hervorgingen, irgendwie fertil zu sein scheinen, mag noch einleuchten, wie aber verhält es sich bei Hybriden zw. Amphilophus und Herichthys?

Der „letzte Schrei“ sind sogenannte „Red Syn“, eine Kreuzung zwischen Vieja Synspila und Am. citrinellus (oder auch labiatus). Was der Zweck dieser Kreuzung sein soll, ist mir noch recht rätselhaft, da gut gefärbte Vieja synspila auch recht rote Köpfe bekommen. Leider konnte ich nur Jungtiere beobachten und sah lediglich ein Foto mit einem erwachsenen Tier, welches jedoch deutlich von reinen V. synspila abwich, da die komplette vordere Körperhälfte ein sattes dunkelorange aufwies. Wie es die asiatischen Züchter geschafft haben, eine Vieja-Art mit einer Amphilophus-Art zu kreuzen, bleibt mir ein Rätsel. Offen gestanden, will ich es gar nicht wissen, denke ich da nur an meine wirklich ungewollte Kreuzung zwischen Vieja hartwegi und „C.“ grammodes vor ein paar Jahren.

Diese „Red Syn“ Kreuzungen werden am teuersten von allem mittelamerikanischen Buntbarschen gehandelt. Bleibt zu hoffen, daß sich nicht allzu viele Käufer finden, denn sonst wird bald der nächste Hybride auftauchen. Creativ scheinen unsere asiatischen Händler auf jeden Fall zu sein.


Zum vollständigen Bericht: Download des Artikels (pdf)

Literaturhinweise:

DCG-Informationen: Buchhauser, Peter: „Ungewöhnliche Hybriden bei Cichliden“, S. 130/30 (Juli 1999)

DCG-Informationen: Staeck, Wolfgang: „Zur Definition von Qualzuchten: Der so genannte Papageienbuntbarsch“, S. 209/33 (September 2002)

DCG-Informationen: Hieronimus, Harro: „Zum Thema Qualzuchten“, S. 54 (Sonderheft der DCG-Region Rheinland, Oktober 2002)




© Peter Buchhauser