Cichlidenfutter selbst gezogen (DCG-Information, 04/2000)

"...mit selbst gezüchtetem Futter versorgen können..." Peter Buchhauser

Wer von uns hätte das nicht gerne, daß wir unsere Buntbarsche mit selbstgezüchtetem Futter versorgen können. Damit meine ich nicht irgendwelche Futtertierchen, die wir mühsam in diversen Wasserbehältern aufziehen, sondern ein pflanzliches Produkt, welches sich als trockenes Perlfutter ähnlich der bekannten Marken ?Hikari? oder ?Haifeng? wunderbar lagern und je nach Bedarf leicht verfüttern läßt.


Das Ganze entstand durch einen Zufall. Es handelt sich um die Samenkapseln einer Pflanze, die ich mittlerweile seit mehr als einem Jahr mit großem Erfolg verfüttere. Nun bin ich nicht derjenige, welcher den berühmten ?grünen Daumen? besitzt, sondern habe, was Pflanzen betrifft, gerade mal mit Kakteen, Agaven und Fensterblattgewächsen (Monstera-Arten) Erfolg. Es muß schon vieles schiefgehen, um diese Pflanzenarten nicht am Leben halten zu können. Ähnlich sieht es in meinen Aquarien aus. Seit etlichen Jahren befindet sich dort keine einzelne echte Wasserpflanze mehr. Dies liegt natürlich nicht darin, daß ich sie nicht halten kann, sondern an all meinen Vieja-Arten, welche liebend gerne Wasserpflanzen als Nahrung zu sich nehmen. Meine Freundin ist hinsichtlich Botanik etwas anders veranlagt, so daß bei uns letztes Jahr neben Knoblauch, Chili-Schoten, japanischen Eßkürbissen, etc. genügend Nutz- und auch Zierpflanzen wachsen und gedeihen konnten. Die enorme Menge unserer Tomaten beneideten auch die Nachbarn.


Vor gut zwei Jahren entdeckte sie in einem hiesigen Pflanzen- und Zoogeschäft eine unbekannte, recht hübsche Grünpflanze, während ich in der Zierfischabteilung um den zu erzielenden Preis meiner Mittelamerika-Nachzuchten feilschte. Die Grünpflanze kam ins Wohnzimmer und wurde von mir nicht weiter beachtet. Sie wuchs recht ordentlich vor sich hin und das bei minimalster Pflege, was bedeutet, daß ich sie dann und wann einmal gegossen habe. Interessant waren für mich eigentlich nur die vielzähligen, fast runden Kapseln, Früchte oder wie auch immer man diese Kügelchen nennt, welche die Pflanze hervorbrachte. Irgendwie war eine Ähnlichkeit mit grünem Pfeffer gegeben, wenngleich die Samenkapseln nach nichts schmeckten. Durch reinen Zufall entdeckte ich, daß sich diese Pflanzenteile prima an Buntbarsche und Welse verfüttern lassen. Nachdem ich unsere Grünpflanze zum Überwintern in den Keller brachte (auf Anraten meiner fachkundigen Freundin) und neben den Kakteen plazierte, verlor die Pflanze nach und nach diese Fruchtkapseln. Immer wenn ich Frostfutter aus der Tiefkühltruhe holte, lagen wieder ein paar dieser inzwischen dunkelgrün gewordenen Kügelchen am Boden. Auch wenn ich mit der Pflanzenkunde wenig am Hut habe, so sorge ich doch für Ordnung und Sauberkeit, besonders im Keller, wo wertvolle Tiere rumschwimmen und regelmäßig Freunde und Besucher erscheinen. Brav sammelte ich die abgefallenen Kugeln vom Boden auf und legte sie in ein leeres Marmeladenglas, um sie irgendwann auf den Komposthaufen zu bringen. Was allerdings bis heute nicht geschah.


Warum? Der Mensch an sich ist ein Wesen, welches Hoffnung und Glaube in die unterschiedlichsten Dinge steckt und der Aquarianer vermag dies oft noch zu übertreffen. So erinnere ich mich an Textbeiträge in Fachzeitschriften, welche Aspirin (Acethylsalicylsäure) gegen Algen im Aquarium empfehlen und das in der Humanmedizin verwendete Medikament „Clont“ kam wohl auch durch Hoffnung und Glaube eines Aquarianers ins Diskusbecken und tat dort seine Wirkung. Die Neugierde des Menschen ist bekannterweise mit verantwortlich für den Fortschritt. Meine Neugierde veranlaßte mich, diese komischen Planzenkapseln testweise als Futter für die Cichliden zu testen. Da ich keinerlei Geruch vernehmen konnte, auch keinen schlechten, wie zuweilen bei verschiedenen Trockenfuttersorten, dachte ich mir, schaden kann es auf keinen Fall. Schlimmstenfalls werden die Kügelchen nicht gefressen und bevor sie doch irgendwelche schädigenden Stoffe an das Wasser abgeben sollten, hätte ich sie bereits wieder rausgefischt. Falls die Tiere sie doch fressen würden, wird bestimmt nichts passieren, dachte ich mir. Zuweilen läßt eine gesunde Portion Optimismus in Verbindung mit ein wenig Mut neue Erkenntnisse erschließen.


Das erste Ergebnis war zunächst recht mäßig. Halbwüchsige, sehr gefräßige Vieja synspila und ein großer Gibbiceps-Saugwels, welcher bei mir schon mehr als 10 Jahre durch die verschiedenen Aquarien wanderte, mußten als Versuchsobjekte herhalten. Ich zählte genau 20 Futterkapseln ab und gab sie ins Aquarium. Nach einer Stunde erfolgt die erste Kontrolle. Es schwammen mehrere noch an der Wasseroberfläche. Ein bißchen war ich da schon enttäuscht, wenngleich ich mich nicht der Illusion hingab, hier etwas Außergewöhnliches entdeckt zu haben. Schließlich gab es bei mir in der Vergangenheit immer wieder derartige Versuche, bei denen gekochte Nudeln, Salatgurken, Kartoffelscheiben, etc. als Fischfutter ausprobiert wurden. Mit einer komplett durchlaufenen Erfolgsskala von nicht vorhanden bis sehr gut. So verfüttere ich pro Woche fast ein Kilo tiefgefrorene Erbsen erfolgreich an alle meine Vieja-Arten und selbst bekannte Fischfresser wie Petenia splendida oder Parachromis dovii ließen sich an das grüne Ersatzfutter gewöhnen (den Versuch mit pürierten Zucchini will ich aber hier nicht weiter erwähnen!).


Ganze vier Fruchtkapseln wurden gefressen oder waren unauffindbar im Becken verloren. Trotzdem ließ ich den verbleibenden Rest im Wasser und gab mir und dem „neuen Futter“ eine weitere Stunde Zeit. Das gleiche schlechte Ergebnis. Immer noch 13 übrig. Vermutlich wurde keine einzige Kapsel gefressen, die Tiere kauten wohl darauf rum, spuckten sie aus und dann gingen meine Pflanzenteile unter und verschwanden in der Dekoration.
Aber ein eingefleischter Aquarianer und alter Hase gibt bekanntlich nicht so leicht auf. Die Alternativen waren vorhergehendes Überbrühen oder Einfrieren, um so das Grünzeug den Buntbarschen vielleicht doch noch als Delikatesse verkaufen zu können.


Das Überbrühen brachte gar nichts und ein Kochen hätte alle Nährstoffe zunichte gemacht, falls es welche gab.
Mit den Einfrieren war es schon besser. Die aufgetauten Kapseln mischte ich im Verhältnis 1:3 mit Erbsen und siehe da, alles wurde gefressen. Mit der Zeit glich ich das Verhältnis auf 1:1 an und konnte nichts Nachteiliges bei meinen Fischen feststellen.


Dann waren alle „geernteten Kapseln“ verbraucht und die Pflanze kam wieder aus dem Keller. Dank des „grünen Daumens“ meiner fachkundigen Freundin gelang es uns (ich war nur in deiner Nebenrolle daran tätig, indem ich mehrere gebrauchte Blumentöpfe zusammensammelte), mehrere Pflanzen aus Ablegern großzuziehen. Jetzt war die Zeit gekommen, daß ich ein gieriges Interesse an dem Grünzeug entwickelte. 12 Pflanzen wurden gehegt, gepflegt und gut gedüngt mit Hornspänen, da ich keine Chemie ins Aquarium bringen wollte.


Ein befreundeter Chemiker, der als Assistent an der Universität seit mehreren Jahren tätig ist und sich vielleicht irgendwann doch noch den Doktorhut aufsetzen kann, analysierte meine „Futterkapseln“. Das Ergebnis konnte sich durchaus sehen lassen im Vergleich zu den bekannten Futtermitteln.


Folgende Werte wurden ermittelt und mit den bekannten Extremwerten diverser handels-üblicher Futtersorten verglichen:


Pflanzenkapseln Max. Wert handelsübl. Futter Min. Wert dto.
Rohprotein 32 % 50 % (Diskusfutter) 28 % (Pflanzenf.)
Rohfett 3 % 7 % 2 %
Rohfaser 7 % 8 % 4%
Feuchtigkeit 15 - 18 % * 12 % 5 %


* Der hohe Prozentsatz der Feuchtigkeit liegt daran, daß die frisch geernteten Kapseln analysiert wurden, durch normale Lagerung trocknen diese aber weiter ab und der Feuchtigkeitsgehalt reduziert sich. Dies ist aber nicht weiter störend, da bekanntlicherweise Frostfutter wie z.B. Salinenkrebse über 90 % Wasser enthalten kann.

Nun war ich aber wirklich überrascht, das hätte ich nicht gedacht. Die Folge war, daß ich von nun an alles daran setzte, möglichst viel Ertrag von diesen Pflanzen zu gewinnen, um meine Cichliden zu füttern. Intensive Nachforschungen ergaben, daß der unter der Handelsbezeichnung erhältliche ? falsche madegassische grüne Pfeffer? (Gramina stringens) eine robuste und anspruchslose Zierpflanze darstellt, welche für mich die Bedeutung einer wichtigen Nutzpflanze bekommen hat. Gerade in Aquarienkellern mit wenig Sonnenlicht, dafür aber einer relativ konstant hohen Luftfeuchtigkeit und höheren Temperaturen fühlen sich diese Grünpflanzen wohl.

 

Inzwischen wuchern rund 20 Pflanzen bei mir im Keller. Außer Aquarienwasser und einer gelegentlichen Düngung mit einer Brühe aus ausgewaschenem Filtermaterial habe ich keinerlei großen Aufwand. Im vergangenen Jahr konnte ich fast 5 kg dieser Pflanzenkapseln sammeln und verfüttern. Gerade große Cichliden lassen sich nach einer bestimmten Umgewöhnungsphase recht gut damit ernähren. Sicherlich wird dieses Futter nicht von Anfang an begierig gefressen, aber mit der Zeit werden sich die meisten unserer Pfleglinge darauf stürzen.


Hinsichtlich Farbenpracht oder der Anfälligkeit für Krankheiten konnte ich keinerlei Nachteile durch diese Ernährung feststellen, wenngleich meine Futterkapseln immer nur einen Teil der Ernährung neben etlichen anderen Futtersorten ausmachten.


Auch wenn es nur eine Ergänzung meines Cichliden-Futterplans darstellt, missen möchte ich diese Sorte von Futter auf keinen Fall mehr. Wer es einmal versuchen will, kann gerne ein paar Setzlinge kostenlos gegen Erstattung der Versandkosten erhalten. Wichtig für ein rasches Anwachsen aber ist, diese unbedingt Anfang April einzupflanzen.

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© Peter Buchhauser