Vieja cf. Bifasciata

Rot sollen die Fische sein, am besten knallrot. Peter Buchhauser

Desto mehr interessieren sich die Aquarianer dafür. Asiatische Züchter „erschafften“ den „Red Parrot“, eine Qualzucht von Amphilophus labiatus, welche mittels Farb(hormon)futter künstlich rot gemacht wird. Oder der „Flower Horn“, eine Kreuzung aus Amphilophus trimaculata und A. citrinellus oder A. labiatus (wer weiß es denn schon wirklich, nachdem es kaum mehr reinrassige A. citrinellus oder A. labiatus gibt?).

Soviel zum Wunsch zu roten Fischen. Ich hatte nie richtig rote. Das sagten mir immer wieder alle meine Freunde. Brachten wir 1995 aus Belize eine bislang nicht eingeführte Variante von Vieja synspila mit, welche ein dunkles orange zusammen mit hohen Schwarzanteilen im Körper der Fische aufweist, so waren meine Tiere gelbbraun mit schwarz. Oder meine „normalen“ V. synspila. Nie waren sie so rot wie bei meinen Bekannten oder auf diversen Abbildungen. Zumindest meine roten „C.“ salvini waren konkurrenzfähig. Alles änderte sich im Jahre 1999. Hatten wir bereits 1992 eine Farbform eines alten Bekannten gefangen, damals allerdings nur 2 Tiere erwischt, von denen leider nur einer richtig groß wurde, so gelang uns diesmal „der große Wurf“. In Südostmexiko konnten wir eine besonders rot werdende Variante von Vieja bifasciata fangen.

Eigentlich ein alter Bekannter, der wohl 1978 durch den Piloten Thomas Schulz das erste Mal lebend nach Europa eingeführt wurde. Die lateinische Bezeichnung „bifasciata“ bezieht sich auf die zweifache Streifung des von Karl Heller vor bald 150 Jahre gefangenen Typusexemplars. Zwei schwarze Längsbänder kennzeichnen zumindest die jüngeren Tiere. Das obere Band beginnt gleich hinter dem Kiemendeckelrand und verläuft unterhalb des weichstrahligen Teils der Rückenflosse, ist aber bei älteren Tieren fast immer unregelmäßig unterbrochen, zu einem großen schwarzen Fleck „verwaschen“. Das untere Band – welches oft nur noch andeutungsweise sichtbar ist oder ganz fehlt – reicht von der Brustflossenbasis bis zur Schwanzwurzel.

Das natürliche Verbreitungsgebiet von V. bifasciata erstreckt sich in Mexiko etwa vom Rio San Antonio über den Rio Candelaria, Rio Usumacinta und Rio Tulija bis hin zum westlichen Einzugsgebiet des Rio Grijalva mit all seinen Zuflüssen wie Rio Pichucalco, Rio Puyacatengo und Rio Teapa. Weiter südlich, etwa in Belize oder Guatemala kommt die Art nicht mehr vor. Wir sahen und fingen V. bifasciata in mehreren Flüssen (Notutun, Mizol-Ha, Tulija, Usumacinta, Palizada, Candelaria, San Antonio, etc.) als auch in vielen stehenden Gewässern der Bundesstaaten Tabasco, Campeche und Chiapas. Im großen Überschwemmungsgebiet zwischen Rio Usumacinta und Rio Grijalva bevölkert die Art fast jeden Tümpel, jede Viehtränke oder größere Seen wie die Laguna Catazaja. Zumindest in zwei Flußsystemen konnten wir diesen Cichliden bisher sympatrisch lebend mit V. synspila nachweisen (Rio Usumacinta, Rio Candelaria). Ob es sich dabei um das natürliches Verbreitungsgebiet handelt, kann heute wohl niemand mehr mit Gewißheit sagen. Natürliche Einflüsse wie Überschwemmungen oder Einflüsse von Menschenhand wie angelegte Bewässerungsgräben und Kanäle beeinflussen mit Sicherheit die Verbreitung dieser Buntbarsche. Analysieren wir kritisch die aktuellsten Naturereignisse, dann können wir feststellen, daß sich Cichlidenvorkommensgebiete immer wieder neu ordnen werden.

Daher gilt es als gesichert, daß mehrere Varianten oder Farbformen von V. bifasciata existieren. Wohl ist die Art nicht so variabel wir V. synspila, jedoch bislang auch nicht so populär, was dazu geführt haben kann, daß weitere, unbekannte Varianten aquaristisch noch gar nicht bei uns aufgetaucht sind. Es gibt gestreckte Tiere, welche selbst im Alter eine runde Kopfform behalten und selten größer als 25 cm werden. Andere werden sehr hochrückig, entwickeln enorme Stirnbuckel und gleichen so wieder dem nächsten Verwandten, V. spec. „Coatzacoalcos“. Bislang sah ich keine Tiere, welche zwar relativ hochrückig werden, aber dennoch den relativ spitzen Kopf beibehalten. Auch farblich weisen die einzeln Formen von V. bifasciata recht große Unterschiede auf, daß man kaum von der gleichen Art sprechen möchte. Bei den bislang bekannten Tieren reicht die Palette von orange über verschiedene Rotnuancen bis hin zu violett. Manche aber besitzen grünliche bis blaue Köpfe und manche zeigen zwar eine intensiv rote Kehle und kräftige Rottöne in allen unpaarigen Flossen, der Kopf selbst ist nicht besonders gefärbt, eher graubraun. Die Körperflanken sind manchmal kräftig gelb bis unscheinbar beige gezeichnet, wobei die gelben Exemplare auch eine kräftig hellgelbe Rückenflosse aufweisen können.

Ob wahre Farbtupfer oder relativ graue Mäuse, es ist fast alles möglich. Wie eingangs erwähnt, haben nur die farblich attraktivsten Tiere eine Chance, in unseren Aquarien bestehen bleiben zu können.

Im Vergleich zum beliebteren und deshalb weiter verbreiteten Verwandten, V. synspila kann sich V. bifasciata im allgemeinen besser gegenüber den ruppigen und aggressiveren Großcichliden der Gattung Parachromis und „Cichlasoma“ durchsetzen. Meine Variante, die ich hier zunächst einmal als V. cf. bifasciata bezeichnen möchte, macht dabei keine Ausnahme, sondern kann sich ausgezeichnet gegenüber den als bissig geltenden Arten wie Parachromis dovii, Amphilophus citrinellus oder den lebhaften V. regani durchsetzen. Die Tiere laichen sogar in Vergesellschaftung mit den genannten Arten. Schon als Jungtiere sind sie untereinander recht streitsam und manchmal recht unverträglich Verglichen mit dem friedlichen, ja fast „tolpatschigen“ V. synspila zeigen sie wesentlich mehr Temperament. Züchten lassen sie sich wie fast alle Vieja-Arten am besten mit gerade geschlechtsreifen Tieren, welche oft erstaunlich gut pflegen, auch bei der ersten Brut. Ältere, große Tiere harmonieren deutlich schlechter. Die gewollte Paarzusammenstellung einzelner, großer Tiere ist meist nicht mehr möglich.

Die Jungtiere von V. cf. bifasciata weisen bei 3-4 cm Gesamtlänge überall eine feine schwarze Tüpfelung auf grauem Grund auf, welche sich bald mit zunehmendem Wachstum verliert. Zunächst hielten wir die 1992 in einer Viehtränke gefangenen Tiere für V. heterospila, da sie keinerlei Anzeichen von V. bifasciata erkennen ließen und wir erst kurz zuvor im Rio Notutun V. bifasciata in allen Größen beobachten konnten. Das charakteristische schwarze Längsband, welches zahlreiche Vieja-Arten im Jungfischstadium besitzen, war hier nicht auszumachen.

Die 1999 nordwestlich der Laguna Catazaja (ca. 40 km entfernt vom Fangort 1992) gefangenen Tiere entwickelten sich zu wahren Prachtexemplaren. Dazwischen konnte ich diese Variante von V. bifasciata auch 1994 und 1996 auf einem rund 50 km langen Teilstück der Mex 186 zwischen Catazaja und Macuspana in fast jedem, die Staatsstraße kreuzenden Bach oder Fluß nachweisen. Lediglich Blicke von einer Brücke auf die darunter liegende Wasseroberfläche ließen bereits mein Herz höher springen. Solche roten Tiere hatte ich bislang in der Natur noch nie gesehen, sie wären normalerweise viel zu auffällig. In großen Trupps standen die erwachsenen Exemplare dicht unter der Wasseroberfläche. Diese Gewässer waren zum Ende der Trockenzeit zum Teil erheblich verschmutzt und nicht selten sah ich Ölspuren auf der Oberfläche.

Im Aquarium erreichen die schnellwüchsigen Tiere im männlichen Geschlecht eine Endgröße zwischen 35 und 40 cm, die Weibchen bleiben mit 25 bis gut 30 cm ein Stück zurück. Trotz des relativ schnellen Wachstums entwickeln sich Körperbau und Farbausprägung recht langsam. Erst nach mehr als 2 Jahren wurden meine Tiere richtig rot und entwickelten dieses bullige Aussehen, wie man es immer wieder beim nächsten Verwandten V. spec. „Coatzacoalcos“ findet, eine Art die in Gefangenschaft weit über 40 cm erreichen kann. Die robusten Allesfresser entwickeln einen kräftigen Appetit und brauchen unbedingt pflanzliche kost in Form von Salat, Spinat, Erbsen, etc. Eine gute Filterung und ein regelmäßiger Teilwasserwechsel von mindestens einem Drittel Beckeninhalt pro Woche sollten selbstverständlich sein.

Verpaarte Tiere putzen, laichen und pflegen in der typischen Offenbrütermanier, die Jungtiere werden einige Zeit gut betreut, mit schwindender Anzahl der Jungfischbrut schwindet auch das Pflegeinteresse der Eltern. Trotz ihrer Durchsetzungsfähigkeit konnten sich bislang keine Jungfische im Elternbecken mit anderen Arten über längere Zeit halten. Dies lag aber mit Sicherheit an meiner üblich hohen Besetzungsdichte, um Schäden oder Verluste durch Beißereien zu vermeiden. Alle meine Becken sind sehr dicht besetzt, damit machte ich die besten Erfahrungen mit der Vergesellschaftung mittelamerikanischer Großcichliden.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß V. cf. bifasciata ein äußerst attraktiver Buntbarsch ist, welcher durchaus mit den aus Asien stammenden „Kunstfischen“ konkurrieren kann und richtig interessant wird, wenn man ihn über Jahre hinweg beobachtet und pflegt.


© Peter Buchhauser