Fast vergessen: Theraps lentiginosus (Steindachner, 1864)

Zur Zucht lassen sich Th. lentiginosus relativ leicht bringen Peter Buchhauser

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Die kleine Gattung Theraps umfaßt derzeit 4 mittelamerikanische Cichlidenarten, welche mit ihrer sehr gestreckten Gestalt hervorragend an die schnell fließenden Bäche und Flüsse ihrer Lebensräume angepaßt sind. Selbst halbwüchsige Tiere vermögen in der stärksten Strömung in der Flußmitte auszuharren, was dem interessierten menschlichen Beobachter mitunter nicht so gut gelingt. Die Cichliden der Gattung Theraps können dort dank ihrer kräftigen und kurzen Flossen selbst gegen die Strömung blitzschnell davonschwimmen. Brutpflegende Paare jedoch haben in der Natur eine relativ große Fluchtdistanz, die es ermöglicht, mit geschickten Kescherzügen einige Jungtiere zu erwischen. Halbwüchsige Tiere konnten wir nur mittels eines 10-Meter-Netzes fangen und erwachsene Exemplare verirrten sich höchstens zufällig in den Maschen. Hinzu kommt, daß der Boden der Heimatgewässer oft mit Kieselstein-Geröllhalden bedeckt ist, wodurch einzelne Fische immer wieder unter einem Netz hindurchschlüpfen. Nichtsdestotrotz konnten wir aber auf mehreren Reisen Theraps lentiginosus fangen und im Aquarium pflegen. Die Art kommt in den klaren, oberen westlichen Zuflüssen des Usumacinta in Südostmexiko (Notutún, Chocoljá, Lacanjah, Chancalá) sowie in den östlichen guatemaltekischen Usumacinta-Zuflüssen (Subín, Pucté, de-la-Pasión) vor. Die westliche, mexikanische Begrenzung liegt in Grijalva-Zuflüssen wie dem Tulija, Pichucalco, Teapa und Puyacatengo.

Wir fingen die meisten unserer Tiere im Notutún und Chocoljá, einzelne im Tulija-Oberlauf und Chancala. Diese Biotope wiesen mit Ausnahme des Chancala stets klares, sauberes Wasser auf. Letzterer wird durch die nahegelegene Siedlung, den stationierten Soldaten dort in Chiapas und der Benutzung als PKW/LKW-Waschstelle zunehmend verunreinigt und selbst zur Trockenzeit leider immer trüber. Im Chocoljá und Lacanjah fanden wir die Art sympatrisch mit Th. irregulare, im Tulija sympatrisch mit Th. coeruleus. Im Notutun kommt sie jahreszeitlich bedingt zusammen mit Chuco intermedius richtig in Massen vor.

Th. lentiginosus läßt sich im Aquarium leicht halten, wenn sauberes, strömungsreiches Wasser vorhanden ist und die vergesellschafteten Tiere keine bissigen Rauhbeiner sind wie etwa Parachromis-Arten. Die Wassertemperatur kann schwanken zwischen 22°C und 26°C, allzu warm brauchen es unsere rheophilen Mittelamerikaner nicht, wenngleich sich manche Zuflüsse im de-la-Pasión System in der Trockenzeit auf über 30°C aufheizen können. Die rheophile Gattung Theraps kann aufgrund ihrer Verhaltens- und Ernährungsweise als gutes Pendant zu den strömungsliebenden Buntbarschen Südamerikas, der Gattung Retroculus, gelten.

Aus den gestreckten unscheinbar silbergrau gefärbten Jungtieren können kräftige, 25 cm lange blau bis türkisgrün leuchtende Cichliden werden, die im Alter zunehmend hochrückig werden. Manchmal entwickeln adulte Männchen einen leichten Stirnbuckel, der sie um so imposanter erscheinen läßt.

Die Ernährung von Th. lentiginosus ist relativ einfach, da sie als Allesfresser gelten. Will man hin und wieder möglichst artgerecht füttern, so lohnt es sich, die natürliche Freßweise zu beschreiben. In einigen Heimatgewässern (Notutún, Chocoljá) konnten wir beim Aufheben der massenhaft am Flußboden liegenden, rundgeschliffenen Steine kleine, pigmentlose Krebse entdecken, die sofort wieder unter das nächste Versteck flüchteten. Manchmal blieben sie jedoch am Stein haften und wir konnten sie aus dem Wasser nehmen. Ins tiefere Wasser losgelassen wurden sie sofort von den herbeistürzenden Th. lentiginosus gefressen. Drehten wir ein paar Steine im Wasser um, wirbelten etwas Sediment und Sand auf, dann kamen die Th. lentiginosus ebenfalls sofort herbei und suchten nach Nahrung, sobald wir uns zurückzogen.

Mit Sicherheit ernährt sich Th. lentiginosus nicht überwiegend von diesen Kleinkrebsen, da hierzu zu viele Fische auf zuwenig Nahrung treffen würden. Im langsam fließenden Abschnitten des Lacanjah und Tulija sahen wir Jungfische und semiadulte Tiere immer wieder Aufwuchsnahrung von Steinen herauspicken, die sowohl pflanzliche als auch tierische Nahrung enthält. Dies scheint die (ballaststoffreiche) Hauptnahrung darzustellen. Übertragen auf die Gefangenschaft bedeutet dies, daß wir hinsichtlich eiweißreicher Nahrung vorsichtig sein sollten, auch wenn Th. lentiginosus nicht so heikel ist wie Th. irregulare, welcher durch Rinderherzgaben oder Mückenlarven nur kurz unser Pflegling im Aquarium sein wird, da diese Futtermittel langfristig immer wieder zu Darmerkrankungen führen.

Interessant wird es, wenn wir lebende Bachflohkrebse ins Aquarium geben. Diese lichtscheuen Tiere suchen sofort Unterschlupf unter Steinen, Wurzeln, etc. Ist der natürliche Jagd- und Freßtrieb der Cichliden erst einmal aktiviert, dann erweisen sich unsere Th. lentiginosus als erstaunlich geschickt. Das spitze Maul wie eine Pinzette verwendend, suchen sie in allen Ritzen, Spalten und sonstigen Verstecken nach den Bachflohkrebsen. Ältere Tiere schaffen es mitunter, kleinere Steine zu verschieben oder zu verdrehen, um darunter befindliche Krebse zu erbeuten. Eine imposante Kopie der Natur im eigenen Aquarium.

Zur Zucht lassen sich Th. lentiginosus relativ leicht bringen. Laicht die Art in der Natur oft in Asthöhlen versunkener Hölzer, so kann im Aquarium eine Schieferplatte, schräg in ein Eck gestellt, gut als Ersatz dienen. Während der Balz und der anschließenden Brutpflege hellen zunächst die Weibchen auf und zeigen mit wenigen schwarzen Flecken eine kontrastreiche Färbung. Schwimmen die Jungfische frei, färben sich auch die Männchen um und beteiligen sich in typischer „Mittelamerikaner-Manier“ an der Brutpflege, das heißt, sie sichern das Umfeld vor möglichen Feinden. Die Jungfische wachsen zu Beginn relativ langsam und behalten für geraume Zeit ihre unscheinbare weißlichgraue Färbung. Da läßt sich noch nicht einmal erahnen, welche Farbenpracht erwachsene Tiere entwickeln können. Die Aufzucht gelingt problemlos, zunächst mit Artemia (ob lebende Nauplien oder entkapsulierte Eier spielt keine große Rolle), dann mit Cyclops, Trockenfutter bis hin zu ballaststoffreichem Futter, welches auch den Elterntieren gereicht wird.

Th. lentiginosus ist insgesamt ein recht empfehlenswerter, ruhiger Vertreter, dem man wünscht, daß er – vielleicht auch bedingt durch diesen Bericht – wieder häufiger gepflegt wird. Ein wenig Geduld und Zeit sollte der Pfleger aufbringen, dann wird er mit einem attraktiven, schwimmfreudigen Cichliden belohnt.


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© Peter Buchhauser