Mexiko 2010: 2. Teil(a):
Die einzelnen Biotope, Zwischen Rio Candelaria und Rio Grijalva (11/2010)

"...Auch diese Art war bislang nicht im Rio Chocolja bekannt ..." Peter Buchhauser

Während ich im ersten Teil den Rio Chacamax bereits eingehender vorstellte und dabei auf die Problematik der Faunenverfälschung intensiv einging, möchte ich im zweiten Teil die einzelnen Biotope und ihre Cichliden vorstellen.
Rekapitulieren wir die Cichliden des Rio Chacamax. Wir sahen Thorichthys helleri, Chuco intermedius, Theraps coeruleus, Theraps lentiginosus, wenige „Cichlasoma“ salvini und ebenfalls nur vereinzelte Vieja bifasciatus.

Vom Rio Chacamax aus ging es Richtung Guatemala, nur wollten wir diesmal nicht mehr zum Rio Lacanha fahren, auch wenn mittlerweile die gut ausgebaute Straße diese Strecke auf etwa eineinhalb zusammenschrumpfen ließ. 1992 benötigten wir noch gut vier Stunden auf einer mit Schlaglöchern versehenen Schotterpiste.
Wir machten zunächst Halt am Balneario Welib Ha. Runde 25 Meter stürzen sich die Wasserkaskaden in die Tiefe. Dieser als „Balneario“ ausgewiesene Platz gehört zum Ecoturismo“ und ist erst seit wenigen Jahren für die Öffentlichkeit zugänglich. Kleine, schön angelegte Rast- und Picknickplätze machen es den Besuchern leicht, hier einige Stunden zu verbringen. Es erinnerte uns von der Aufmachung her an die „Cascadas Semuc de Champey“ in Guatemala. Bei unserem Abstecher dort fanden sich nur wenige Besucher ein, zum Glück, denn auch dieser idyllische Platz wird mittlerweile von Tagespauschaltouristen heimgesucht, welche in Busladungen hier angekarrt werden. Wir sahen Astatheros nourissati und Chuco intermedius. Letztere fanden sich in transportfähiger Größe und wurden gleich eingetütet.

Nach relativ kurzem Aufenthalt ging es zum Rio Chocolja. Dieser Regenwaldfluss wurde mehrfach fälschlicherweise als Rio Corzo bezeichnet. Oben auf der Brücke stand jedoch jahrelang ein Schild mit der Aufschrift „Puente Chocolja“, mittlerweile ist es verschwunden. Den Rio Corzo haben wir trotz mehrerer Reisen in dieses Gebiet bis heute nicht gefunden, was aber nicht heißen soll, dass es ihn nicht doch gibt...
Eine Wäsche waschende Indigena-Frau ließ sich von uns nicht bei ihrer Arbeit stören und wir gingen absichtlich etwas weiter flussabwärts ins Wasser. Schließlich wollten wir nicht als „Gringos“ hier auftreten, sondern waren uns bewusst, dass wir als Gast hier geduldet werden. Nicht schlecht staunten wir, als wir Cryptoheros spilurus im ruhigeren, flachen Uferbereich sahen. Dass diese Art in Mexiko vorkommt, ist bekannt, jedoch nur auf der Halbinsel Yukatan, nahe der Grenze zu Belize (Laguna de Bacalar, Rio Hondo, etc.). Über den Rio Usumacinta steht der Rio Chocolja mit den guatemaltekischen Zuflüssen in Verbindung. Müssen es die kleinen Kerle also irgendwann auf diese Art geschafft haben. Ebenfalls etwas verwundert waren wir auch, als uns halbwüchsige Vieja synspilus unter Wasser vor der Taucherbrille davon schwammen. Auch diese Art war bislang nicht im Rio Chocolja bekannt.
Daneben fanden sich „alte Bekannte“ wie Vieja ufermanni, Theraps irregulare, Theraps lentiginosus, Astatheros nourissati, Chuco intermedius und wunderschöne Thorichthys spec. „Chocolja“, welche wir der helleri-Variantenvielfalt zurechnen (?). „Cichlasoma“ pearsei sahen wir diesmal leider nicht und selbst beim 5. Besuch des Rio Chocolja (über 17 Jahre verteilt) konnte ich noch immer keine Vieja argentea dort finden. Es gibt sie aber, jedoch müssen sie sehr selten sein. Die Thorichthys und Th. lentiginosus wurden von uns mitgenommen.
Wir machten uns wieder auf den Rückweg nach Palenque und wollten noch kurz beim Rio Chancala vorbeifahren. Die Kreuzung Chancala ist nach wie vor mit Soldaten besetzt, etliche trugen kugelsichere Westen, trotz der Hitze. Auch nach einigen ruhigen Jahren, ohne Zapatistenbewegung hält man dort am Militär fest. Heutzutage sucht man eher Drogenschmuggler oder illegale Einwanderer aus Guatemala als Rebellen. Konnte man in der Vergangenheit kurz vor der Brücke am Chancala prima zum Fluss hinuntergehen, bzw. -fahren (der Platz im flachen Wasser war sehr beliebt zum Autowaschen!), so spannt sich jetzt eine neue Brücke über den kleinen Fluss. Weitaus höher gelegen als die alte Brücke, ist weder links noch rechts eine Möglichkeit, zum Fluss runter zu gelangen. Die flachen Stellen, der Waschplatz, nichts mehr davon konnten wir erkennen. Wir fuhren auf die andere Seite, drehten wieder um und mussten erkennen, dass anscheinend auch im Fluss gebaggert wurde, vielleicht, um Kies zum Brückenbau zu bekommen. Im Jahr 2009 war der Chancala trotz Trockenzeit bei der neuen Brücke viel tiefer und absolut unzugänglich.
Nach etlichen Kilometern auf unbefestigtem Terrain gelangten wir zum Rio Chancalaito, quasi dem kleineren Bruder des Rio Chancala. Im ganz flachen Wasser, mit etwa 20 Zentimeter Wasserstand zog ein Paar Theraps irregulare mit relativ großen Jungtieren vor unseren Füßen vorbei. Es war ein Leichtes, hier einige Jungtiere einzusammeln, wenn auch diese schon recht flink waren und sich ganz auf den mit Kieseln übersäten Boden drückten. Die Thorichthys spec. gingen uns hier auch noch einmal in die Handkescher. Daneben fanden sich „C.“ salvini, Ch. intermedius, A. nourissati und Th. lentiginosus.
Am Rio Tulija stärkten wir uns erst einmal mit einer gehörigen Mahlzeit und schnorchelten dann im klaren Wasser. Angeblich gibt es im Tulija-Unterlauf bereits Loricariiden, aber hier, an der Straße nach Aqua Azul war die (Fisch-)Welt noch in Ordnung. Thor. socolofi, Th. coeruleus, Th. lentiginosus, Ch. intermedius, C.“ salvini und Paraneetroplus omonti zeigten sich vor unseren Taucherbrillen. Was uns wirklich erstaunte, waren die P. omonti. Ein Trupp von 12-15 erwachsenen Tieren stand genauso wie 1999 (!) beim Brückenpfeiler in der Flussmitte und zog dann schnell flussabwärts. Beiderseits der Brücke sahen wir weder flussauf- noch flussabwärts weitere Tiere in dieser Größe, höchstens einzelne halbwüchsige Exemplare. Ein paar semiadulte Thor. socolofi nahmen wir mit. Der Rio Misol Ha oberhalb des bekannten Wasserfalls war wieder einmal trübe, in Flussnähe wird überall Reis angebaut. Wir konnten nur noch kurz rein gucken und auch die Weiterfahrt zum Rio Bascan mussten wir aus Zeitgründen entfallen lassen.
Ein Tag mit vielen Cichliden und zum Glück (noch) ohne Loricariiden ging zu Ende.

Am nächsten Morgen brachen wir früh auf und fuhren in Richtung Rio Candelaria, d.h. auf die Halbinsel Yukatan.
Der Rio Candelaria als auch der Rio Chumpan sind für Aquarianer zum Fischen sowieso zu groß, obwohl sie sich im März 2009 als „klar“, sprich grün gefärbt und daher für relativ sauber zeigten. Nach der Überquerung des Rio Candelaria waren wir auf der Suche nach geeigneten Zuflüssen. Mittlerweile kein allzu einfaches Unterfangen mehr, denn beiderseits der befestigten und unbefestigten Straßen ist nahezu alles mit Stacheldraht eingezäunt. Wir machten sogar Witze darüber, indem wir es bereuten, nicht schon vor 20 Jahren nach Mexiko ausgewandert zu sein, um Stacheldraht zu vertreiben. Anscheinend noch immer ein lohnender Geschäftszweig.
Ein mit Seerosen bewachsener, langsam dahin fließender, kleiner Fluss hatte es uns angetan. Das Wasser war nicht recht klar, die Sichttiefe lag zwischen 50 cm und einem Meter.Nachdem wir unsere Ausrüstung zum Ufer schleppten, der Wagen parkte etliche Meter entfernt, erwies sich dieses kleine Biotop als durchaus lohnenswert. Wir fanden die typischen „Candelaria-Cichliden“. Thorichthys meeki kam sympatrisch mit Th. helleri vor, ebenso Vieja bifasciatus mit V. synspilus. Astatheros robertsoni, Rocio octofasciata, Petenia splendida und „C.“ urophthalmus rundeten das Bild ab. Daneben gab es wunderschöne Lebendgebärende.

Gleich ein paar Kilometer weiter fischten wir abermals in einem Candelaria-Zufluss. Der fast ausgetrocknete Bach führte unter der Brücke noch am meisten Wasser. Die Brücke bestand hier, wie so oft, aus drei nebeneinander liegenden, großen gewellten und verzinkten Blechrohren, die überbetoniert wurden. Flussabwärts bot sich eine größere Sumpflandschaft, die hin und wieder kiesige Bereiche aufwies. Hier wurden die V. bifasciatus bereits durch V. heterospilus abgelöst, hinzu kamen große Belonesox belizianus.
Alle Cichliden der beiden Biotope waren von der Größe her ungeeignet zum Mitnehmen, brutpflegende Paare sahen wir hier überhaupt nicht. Daher fuhren wir weiter, Richtung Grenze zu Guatemala. Hinter Miguel Hidalgo fand wieder eine Militärkontrolle stand, ein klares Anzeichen, dass wir uns der Grenze näherten. Für die Soldaten waren wir „Alemanos“, die in der Nähe ihres Grenzpostens nach „Mojarras“ (span. für Buntbarsch) suchten, eine willkommene Abwechslung zu deren tristem Alltagsjob der Fahrzeugkontrolle. Man gab uns den wohl gemeinten Rat, zum Balneario Aguas Verdes zu fahren, acht Kilometer von Guatemala entfernt. Die Beschreibung war gut und wir fanden einen sogenannten „Quelltopf“. Glasklares Wasser wird unten durch Sand- und Kiesschichten gedrückt und es entsteht so ein Fluss. Ähnlich den Rio Pucte in Guatemala oder dem Balneario Palmar (Grenzgebiet Mexiko zu Belize am Rio Hondo) wimmelte es hier in dem nährstoffarmen Wasser von Fischen. Zehn Cichlidenarten konnten wir beim Schnorcheln in diesem riesigen, fantastischen „Unterwasseraquarium“ ausmachen. Th. meeki und Th. helleri, V. heterospilus und V. synspilus, R. octofasciata, P. splendida, „C.“ salvini, „C.“ urophthalmus, A. robertsoni und Oreochromis aureus.
Wir schnorchelten etliche Zeit und trotz der beeindruckenden Unterwasserlandschaft das gleiche Spiel wie zweimal zuvor. Kein einziges Paar führte Jungfische, nicht einmal die in ihrer Heimat als Dauerlaicher bekannten Thorichthys pflegten Jungtiere. Wir machten uns auf den Rückweg nach Palenque und fuhren an einer mir altbekannten Stelle vorbei.
Bei Cuyo Alvaro Obregon fingen Frank und ich 1992 unsere ersten „Catazaja-Bifasciatus“ in einer Viehtränke zusammen mit einem knapp zwei Meter langen Kaiman. Während uns die Einheimischen damals aufgeregt vor dem gefährlichen „Lagarto“ warnten, zogen wir unverdrossen unsere als Fischernetz dienende Gardine immer wieder an Land. Ganze zwei Tiere dieser besonders rot werdenden Farbvariante von V. bifasciatus konnten wir damals erbeuten. 1999 waren wir erneut an dieser Stelle und jetzt nach 10 Jahren zum dritten Mal. Die „Viehtränke“ war mittlerweile erweitert zu einem stattlichen Teich, jedoch mit sehr steilen, schlammigen Ufern, die jegliches Fischen unmöglich machten. Zumindest in der Trockenzeit können auch keine Kühe mehr ins Wasser. Vom Ufer aus sahen wir „C.“ urophthalmus, V. synspilus und V. bifasciatus in dem trüben Gewässer. Ich machte mich daran, den dort lebenden Alligator ins Wasser zu scheuchen. Ein Deja-Vu Erlebnis von 1992 oder 1999?
Die scheuen Tiere gleiten recht flott ins Wasser, wenn man ihnen am Landweg zu nahe kommt. In die Hände klatschen bewirkt das gleiche. Nach einigen Minuten tauchte das Tier mittig im Wasser völlig unerwartet wieder auf. Die ganze Gegend dort ist voll mit solchen Tümpeln, welche während der Regenzeit alle miteinander in Verbindung stehen. In fast jedem größeren „wohnen“ ein oder vielleicht auch mehrere Kaimane. Diese Tiere kommen bei der Regenzeit aus Guatemala über den Rio Usumacinta in dieses Gebiet und siedeln sich dort an. Dem Menschen werden sie nicht gefährlich und fressen wohl eher das am Wasser lebende Geflügel als unsere Buntbarsche.
Der Rio Chico unweit hinter der Viehtränke war genauso schlammig und voll mit Loricariiden. Kormorane erbeuteten kleinere Saugwelse und versuchten, diese zu schlucken. Indem die Welse ihre starken Brustflossen abspreizen, können die Kormorane die Beute nicht hinunter schlingen. Kann der Saugwelse nicht hoch gewürgt werden, verenden Jäger und Gejagter. Ein paar Mexikaner beklagten ihr Leid über den eingeführten „Pez diablo“.

Ein Tour nach Frontera zum Golf von Mexiko war für den nächsten Tag angesagt. 1999 war ich zum ersten Mal dort und die klaren Brackwasserbiotope begeisterten mich. Damals fingen wir im schultertiefen Wasser auf kiesigem Grund etliche Cichliden. Zehn Jahre später – Fehlanzeige. Obwohl das Gebiet überall als Biosphären-Zone ausgewiesen ist, legte man anscheinend die sumpfigen Gebiete trocken, um so landwirtschaftliche Nutzfläche zu gewinnen.
Völlig abgefahrene Bremsen an unserem Dodge kosteten uns etwa vier Stunden, viel war vom Tag nicht mehr übrig, als wir von Frontera aus unserer Rückweg nach Palenque antraten. Die Stimmung im Auto war nicht die beste, deswegen fuhren wir einen anderen Weg zurück, indem wir uns nördlich des Rio Grijalva bewegten und damit sozusagen einen „Rundkurs“ ermöglichten. Etwa 20 Kilometer hinter Frontera sahen wir rechter Hand einen Baggersee, die Arbeiter machten gerade Feierabend. Wir fragten, ob wir fischen dürften und die Arbeiter nickten uns zu. Loricariiden konnten wir gleich außerhalb des Wassers anhand einiger verwester Kadaver im Sand unschwer erkennen. Mit dem 10-Meter-Zugnetz war das Fischen am steilen, sandigen Ufer ein schwieriges Unterfangen, die Mexikaner mussten sich wohl ihren Teil über uns gedacht haben. Nach einiger Zeit kam ein kleines Ruderboot auf uns zu, der ältere Mexikaner bot uns an, zu helfen. Indem ich das Netz am Ufer in einigermaßen stand- sicherer Position festhielt und Frank sich ins Ruderboot begab, konnten wir einen Halbkreis im Wasser ziehen. Dies machten wir einige Male und erbeuteten Thor. meeki, Thor. pasionis, P. splendida, „C.“ urophthalmus, „C.“ salvini und V. synspilus. Die pasionis, salvini und synspilus waren klein genug zum Transport und gingen mit uns mit, der Rest wurde abfotografiert und wieder in den Baggersee entlassen.
So hatte sich der Tag trotzdem noch einigermaßen gelohnt.




Literaturhinweise:
P. Buchhauser: „Cichlidenbiotope in Südmexiko“, DCG-Informationen 2000/21
H. J. Mailand: Cichliden, Landbuch Verlag, 1995
R. Stawikowski/U. Werner: Die Buntbarsche Amerikas, Ulmer Verlag, 1998


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© Peter Buchhauser