Die 16.000 Liter Lagune im Wohnzimmer (05/2005)

20.000 Litern sind zunächst relativ stabil hinsichtlich Temperatur- schwankungen Peter Buchhauser

Durch Zufall lernte ich Franz kennen. In erster Linie ist Franz Taucher. Extremtaucher. Einer von ein paar Handvoll weltweit (!), welche alle Prüfungen im Solotauchen absolviert haben. Das heißt, das Franz auch unterhalb einer geschlossenen Eisdecke alleine taucht. Es ist wie in einer Höhle: oben ist zu und man kann nicht einfach raus, nur das man etwas mehr Platz hat. Auch ohne Maske kann er bestimmte Dinge aufspüren, welche ihm vorher an Land anhand einer Lagekarte gezeigt wurden. Seine Frau und sein Sohn tauchen auch. Franz erreicht man am Wochenende selten, auch im Winter taucht er in den nahe gelegenen Seen. Er befüllt seine Flaschen selbst und mischt auch die dafür benötigten Gase, je nach Tauchtiefe- und -dauer. Für Franz ist dies Entspannung, Ablenkung von dieser hektischen Welt, in der immer alles schneller, besser und billiger sein muß. Jeder sucht seine Entspannung von alltäglichem Streß und Lärm woanders. Unter Wasser herrscht kein Streß und kein Lärm, nur Ruhe.

Franz ist sicherlich ungewöhnlich, aber unwahrscheinlich sympathisch, hilfreich und uneigennützig. Darum schreibe ich jetzt über ihn ein wenig und mehr über sein weiteres Hobby. Neben dem Tauchen hat Franz auch ein „Aquarium“. Ebenso ungewöhnlich wie seine Tauchgänge. Brutto faßt es gut 16.000 Liter Wasser
(4 m x 2 m x 2,2 m) und befindet sich im Wohnzimmer. Dahinter, darüber und unterhalb befinden sich rund weitere 17 Glasaquarien mit einigen tausend Litern Wasser, welche alle durch einen Kreislauf miteinander verbunden sind.

Als ich das erste Mal bei Franz war, war das gemauerte Becken im Wohnzimmer leer und auch alle anderen. Franz züchtete Steinkorallen und hatte irgendwann die Nase davon voll.

Vorher war er bei mir in meinem Aquarienkeller (bescheidene 6.000 Liter Gesamtinhalt) und begeisterte sich geradezu für meine mittelamerikanischen Großcichliden.

Mittlerweile ist das 16.000 Liter Großaquarium bei Franz längst gefüllt und er hat sich eine mittelamerikanische Lagune im Wohnzimmer geschaffen. Nun gibt es ja etliche Aquarianer mit großen gemauerten Aquarien, mein Bekannter Helmut hat eins 12.000 Liter, Berthold 10.000 Liter, Hermann 5.000 Liter und so fort. Keiner jedoch hat ein voll funktionierendes Stück Meeresriff (mittlerweile weiß ich, wie das Aquarium von Franz vorher mit den Steinkorallen aussah) so mir nichts, dir nichts in eine mittelamerikanische Cichlidenwelt verändert, ohne dabei große Umbauten zu tätigen. Und gerade das ist die Besonderheit von Franz und auch ein Zeichen seines Erfolgs.

Das Großbecken ist mit Tuffsteinaufbauten und großen Wurzeln dekoriert. Die Tuffsteine dienten damals den Korallen als Heimat und schufen eine grandiose Meerlandschaft. Mit einem Hochdruckreiniger abgewaschen, fügen sie sich heute problemlos in eine mittelamerikanische Unterwasserwelt ein, wir ich sie von Agua Azul, der Laguna Bacalar, dem Rio Lacanha (alles Mexiko) oder den Cascaden von Semuc den Champey und dem Rio Gracias a Dios in Guatemala gewohnt bin. Großwachsende Sumpfpflanzen in den oberen Regionen schaffen so eine einmalige Unterwasserlandschaft für Cichliden. In den seltensten Fällen fand ich auf unseren bisherigen Reisen nach Zentralamerika submerse Pflanzen, der Lebensraum mittelamerikanischer Fische (Buntbarsche, Zahnkarpfen, Salmler und Welse) besteht meist aus Gestein und Holzeinlagerungen durch abgestorbene Bäume, Wurzeln, etc.

Gerade deshalb wirkt das Wohnzimmerbecken von Franz so wirklich und natürlich. Vertreter der Vieja-Gruppe wie V. bifasciata, melanura, regani und synspila leben friedlich neben Parachromis-Arten (dovii, managuense), die vergesellschafteten Herichthys carpinte, Amphilophus citrinellus und labiatus, sowie die Hypsophrys nicaraguense stören ebensowenig wie einige robuste Südamerikaner („C.“ festae, A. ocellatus, Aeq. rivulatus).

Groß werdende Welse wie Rhamdia spec., Pseudodoras niger und Glyptoperichthys gibbiceps runden das Ganze ab. Natürlich vermehren sich in einem so großen Aquarium mit vielen Revier- und Fluchtmöglichkeiten die Cichliden mit rasanter Geschwindigkeit. Der klare Sieger war wieder einmal A. citrinellus. Diese Art schafft es einfach, in jedem Großbecken ihre Vielzahl von Jungfischen trotz zahlreicher Freßfeinde „durchzubekommen“. Wer Berthold Weber kennt oder das Steinhart-Aquarium in San Franzisko, weiß, wovon ich spreche. Irgendwann sind nur noch gelborange Fische im Becken.

So kam auch Franz eines Tages zu mir und klagte über die wohl 200-300 A. citrinellus, welche längst der Obhut ihrer Eltern entwachsen waren und nun selbständig das Aquarium durchschwammen. Mein ehemaliger schwarzer Dornwels (Pseudodoras niger), von Franz und seiner Familie liebevollerweise „Peter“ genannt, fraß auch mit seinen immerhin gut 70 cm Gesamtlänge natürlich keine kleinen Zitronenbuntbarsche. Mag die Warnfarbe der brutpflegenden Eltern logischerweise die Freßfeinde noch abhalten, so kann ich mir wirklich nicht erklären, warum gerade A. citrinellus so erfolgreich in der Brutpflege ist, zumal die grau gebänderten Jungtiere ohne Eltern sicher leicht gefressen werden könnten.

In einem riesigen Aquarium im Loro Parque auf Teneriffa leben unzählige A. citrinellus in einer für mich geradezu erschreckenden Größe, es gibt Männchen mit mehr als 40 cm, ohne Übertreibung, welche im Laufe der Zeit mit den vergesellschafteten Vieja-Arten (bifasciata, fenestrata, maculicauda und synspila), die überwiegend von Uwe Werner und Rainer Stawikowski im Jahre 1985 in Mexiko gefangen und dann nach Teneriffa geschickt wurden, hybridisierten und geradezu abschreckend häßliche, zum Teil riesige Tiere hervorbrachten.

Es mag vielleicht imposant aussehen, wenn ein rund 45 cm großes Männchen von V. maculicauda x A. citrinellus, weiß gefärbt (von A. citrinellus), mit schwarzen Flecken (von V. maculicauda) und einer tennisballgroßen Beule auf dem Kopf durch ein Großbecken zieht, natürlich ist dies auf keinen Fall und schön gleich zweimal nicht. Gerade deshalb war Franz besorgt, zudem sich ein plötzlich ein V. fenestrata-Weibchen kurzerhand mit einem H. carpinte Weibchen paarte und energisch die zahlreichen Jungtiere verteidigte. So hatte Franz neben unzähligen 3-5 cm großen, grauen A. citrinellus auch schon die ersten Hybriden im Aquarium. Man bedenke, Herichthys mit Vieja. Aber nach Teneriffa und San Franzisko, dort schwimmen Kreuzungen von P. managuense und A. citrinellus, wunderte mich nichts mehr.

Abhilfe schuf inzwischen mein großes P. dovii –Paar. Der Mann mißt gut und gerne 40cm und konnte langsam aber sicher dem Vermehrungstrieb der A. citrinellus Einhalt gebieten. Inzwischen schwimmen bei Franz zwei Perrunichthys perruno und ein Phractocephalus hemiliopterus. Diese räuberischen Großwelse räumten ebenfalls mit den Hybriden und den meisten Zitronenbuntbarschen auf, die Ordnung im Großaquarium ist wieder nahezu hergestellt.

Verlassen wir den Bereich Cichliden und widmen uns ein wenig der Technik. Als begeisterter Mittelamerikafan kann ich gar nicht genug über die Fische in diesem Aquarium berichten, würde nicht der Ingenieur in mir dazu drängen, die Technik dieser Wohnzimmerlagune näher zu erläutern. Franz filtert nicht, nicht im herkömmlichen Sinn. Franz heizt das Großbecken nicht, nicht im herkömmlichen Sinn. Trotzdem herrscht kristallklares Wasser ohne Gelbstich und eine Wassertemperatur von 25-26°C. Wie kommt es dazu? Franz hat einfach die Technik aus der Korallenzeit beibehalten und lediglich abgespeckt.

Zunächst einmal sollte der Leser wissen, daß der gesamte Wasserkreislauf aller durch Pumpen und PVC-Rohre verbundenen Becken bei etwa 20.000 Liter liegt, selbst wenn für das Großbecken durch das Tuffgestein und die Wurzeln vielleicht netto nur 12.000 Liter Inhalt bleiben. Ein Wasservolumen von 20.000 Litern ist zunächst einmal relativ stabil hinsichtlich Temperaturschwankungen. Die Rückseite des Großbeckens bildet ein sogenannter „Wintergarten“, die Wände bestehen nur aus Doppelstegplatten, trotzdem kühlt der Raum hinter dem Wohnzimmer nicht so ab, wie man meinen möchte, auch wenn draußen Schnee liegt und nur eine 25 mm dicke Doppelsteg-Kunststoffplatte die Grenze bildet.

Das Wasser heizt sich zum einen durch Sonneneinstrahlung auf, zum anderen sorgt die Beleuchtung dafür. Ein 2000 Watt-Strahler sorgt für genug Helligkeit, aber auch entsprechende Abwärme. Die starken Pumpen sorgen ebenfalls mit Ihrer Abwärme dafür, daß sich das Wasser zusätzlich ein wenig aufheizt. Im Sommer steigt nach etlichen heißen Tagen die Wassertemperatur bis auf 28-29°C und im Wintergarten hinter dem Betonbecken sind 35-40°C keine Seltenheit.

Am interessantesten jedoch ist die Filterung. Als alles noch mit Meerwasser befüllt war, dienten 2 riesige, 500 Liter fassende Plexiglassäulen als Eiweißabschäumer und gefiltert wurde über einen Rieselfilter von mindestens 500 Litern, der nur mit Muschelbruch bestückt war. UV-Lampen und zwei 500 mg Ozonisatoren nebst Lufttrockner sorgten für die biologische Reinheit. Warum also die bewährte Technik ändern? Franz reduzierte auf einen Abschäumer, schaltete einen Ozonisator ab und behielt die UV-Lampen und den Rieselfilter. Fazit: hervorragende Wasserwerte und klares Wasser. Da eigentlich alle Becken oben offen sind, verdunstet entsprechend viel Wasser, das verbleibende salzt (=härtet) sich mit der Zeit auf. Nur deshalb macht Franz hin und wieder einen Wasserwechsel von rund 2000 Liter, damit der schleichenden Aufhärtung vorbebeugt wird. Im Sommer verdunstet mehr, also wird mehr Wasser gewechselt. Nötig wäre es aber nicht unbedingt.

Nun ist zwar das Becken riesig, mittlerweile aber auch dicht besetzt. So verwundert es mich immer wieder, wie ein Aquarium mit dieser ungewöhnlichen Art der Filterung klar gehalten werden kann. Blickt man jedoch in den Schaumtopf des riesigen Abschäumers, der von einer 750 Watt Speck-Pumpe mit Injektor betrieben wird, dann wird schnell klar, warum die Wasserwerte so gut sein müssen. Bevor sich die ganzen Ausscheidungen der Fische in einem herkömmlichen Filter zersetzen können, werden sie bei Franz vorher mittels des Eiweißabschäumers aus dem Becken entfernt. Normale Filter bauen diese Stoffwechselprodukte vielleicht mehr oder weniger wieder ab, doch gerade Großcichliden in dieser Menge lassen unwahrscheinlich schnell den Nitritwert im Wasser hochschnellen.

Die Folge bei Franz sind enorme Wachstumsgeschwindigkeiten bei den Fischen, obwohl sie nicht übermäßig gefüttert oder gar gemästet werden.

Bleibt zu hoffen, daß dieses wunderschöne Aquarium noch lange Zeit in dieser Form bestehen bleibt.



Zum vollständigen Bericht: Download des Artikels (pdf)


© Peter Buchhauser